Nacht und Tag ++ eine Filmrolle CineStill 800T

Zuletzt im Revier hatte ich auch eine analoge Kamera für die Nachtfotografie am Start. In der PENTAX 645 war ein CineStill 800T eingelegt, der als Spezialist für Aufnahmen bei Kunstlicht gilt. Das T steht für Tungsten, oder übersetzt Wolfram, und weist auf die Verwendung bei warmen Glühlampenlicht hin. Der Film wird besonders für seine roten Halos gefeiert, die um (nicht nur) punktuelle Lichtquellen entstehen. Das hatte ich zumindest irgendwo mal gelesen, dann eine 120er Rolle von diesem Film gekauft und im Kühlschrank für ca. zwei Jahre eingelagert. Für mich kratzt der CineStill merklich an der Preisschmerzgrenze, irgendwo um die 20 EUR. Wenn da noch Entwicklung und Scan zugerechnet werden, bin ich bei ca. 2,50 EUR pro digitalen Abzug. Dennoch hatte ich für diesen Film das gute Labor mit Scan gewählt, weil ich sehen wollte, was für mich und meiner Kamera „möglich“ ist.
Bei meinem Ausflug in Duisburg hatte ich parallel fotografiert, primär digital und ab und an auch das gleiche Motiv dann analog auf CineStill. Dabei ging es mir nicht vornehmlich um einen direkten Vergleich zwischen Sensor und Film, den ich eh fraglich finde, weil am Ende auch der Film bei mir wieder digitalisiert wird. Es ergab sich einfach so. Die digitalen Ergebnisse habe ich im Artikel Nachts im Revier II bereits auf meinem Blog gezeigt. Was ich aber bei dem ein oder anderen Bild zeigen möchte, ist die Gegenüberstellung des Labor-Scans mit meinem eigenen Kamera-Scan und Bearbeitung. Der CineStill hat mir hier nämlich sehr viel Arbeit und Mühe bereitet, besonders bei der farblichen Abstimmung.
Den Beginn macht das Geleucht auf der Halde Rheinpreußen. Die überdimensionale Grubenlampe mit ihrem dominanten Rotlicht bei Nacht war eine echte Herausforderung. Es fehlte der farbliche Kontrapunkt, und auch die gewünschten Halos konnten sich kaum aufgrund der eintönigen Farbe in Szene setzen, wenn sie auch klar erkennbar sind.


Dagegen bot die star Tankstelle auf der Friedrich-Ebert-Straße vor dem Hochofen 8 der ThyssenKrupp Steel ein ideales Motiv für die ungewöhnlichen Lichtkränze, die der CineStill zaubern kann. Das Rot der Halos und die gelb-weißen Sterne der vielen kleinen Lichtquellen heben sich klar voneinander ab.




Augenfällig sind neben den Lichtkränzen einige rote Licht-Fäden, die ich mir zunächst gar nicht erklären konnte. Sie wirken wie wilde Kritzeleien, sind aber nur auf einigen Aufnahmen und in unterschiedlicher Form und Position vorhanden. Eine Recherche ergab, dass die überraschenden Artefakte in Wirklichkeit Ergebnis von Funken elektrostatischer Entladungen sind. Der CineStill ist berüchtigt für seine Anfälligkeit, wenn der Film zu schnell in der Kamera transportiert wird, besonders in kalter Umgebung. Das war mir vorher nicht bekannt, aber es gibt viele Kommentare dazu um Netz.



Der CineStill basiert auf Kodak-Vision-Kinofilm. Allerdings wurden beim ihm die sogenannte Remjet-Schicht entfernt, die eigentlich Schutz vor solchen Effekten bietet. Dafür lässt sich der Film ohne diese Schicht im Standard-C41-Verfahren entwickeln und benötigt keine teure Spezialbehandlung. Reduzieren lässt sich die Gefahr der Funkenbildung wohl dadurch, dass der Film möglichst langsam in der Kamera gepult wird – da ist die Transportgeschwindigkeit von 1,5 Bilder/Sekunde meiner Mittelformat-Pentax scheinbar zu rasant.
An dem Abend war ich sehr sparsam mit meinen Auslösungen gewesen, so dass ich noch einige Bilder übrig hatte, um den Film auch bei Tageslicht zu probieren. Eigentlich ist dafür ein Filter empfohlen, um den Blaustich am Tag auszugleichen. Wir erinnern uns? Der Film ist auf Glühlampenlicht ausgerichtet, versucht hier eine neutralere Farbgebung. Dementsprechend wirkt er am Tag sehr kühl. Den Filter hatte ich nicht zu Hand, daher habe ich die Farbtemperatur digital etwas ausgeglichen, ohne aber den Charakter der kühlen Blässe zu verlieren. Und in der Tat, am Tag gefällt mir der Film auch richtig gut.



Was bleibt hängen? Auf jeden Fall wurde meine Neugier befriedigt. Die roten Halos in der Nacht verbuche ich als Erfolg. Auf die ungewollten Effekte der elektrostatischen Entladungen hätte ich gerne verzichtet. Was den besonderen Farbcharakter des Films angeht, ist dieser im direkten Vergleich mit einem normalen Tageslichtfilm wie Kodak Gold geradezu offensichtlich. Die Ergebnisse bzw. der Weg dahin haben mir wieder deutlich aufgezeigt, wie stark doch der Einfluss der Bearbeitung am PC ist. Ich fotografiere vielleicht analog, aber der Prozess zum Bild ist eben hybrid. Auch das Ergebnis aus dem Labor ist natürlich am Ende ein digitales Bild, welches durch Digitalisierung und Software entstanden ist.
Und wie halte ich mit dem CineStill 800T in der Zukunft? Akut habe ich keinen Bedarf und möchte farblich lieber weiter auf konservativere Filme wie Portra 160 setzen, der auch gedeckter ist als ein Kodak Gold. Ich bedauere insbesondere, dass es den Ultramax 400 von Kodak leider nicht als Rollfilm gibt. Den CineStill werde ich ohne konkreten Anlass nicht mehr kaufen, aber wenn er mir günstig im Angebot über den Weg läuft, werde ich auch nicht nein sagen.


He Dirk,
Schön die Bilder zu sehen!
Die Artefakte finde ich auf jeden Fall spannend, schade dass es Zufall ist wo sie denn entstehen, sonst könnte man schöne Effekte provozieren:)
Das macht auf jeden Fall Lust den CineStill im Kühlschrank in die Kamera zu packen und zu belichten.
Eine Idee habe ich schon, jetzt fehlt nur die Zeit 🙂
Viele Grüße
Herzlichen Dank. Es macht immer wieder Laune mit einem „neuen“ Film zu experimentieren. Aber jetzt ist erstmal wieder Gold in der 645. Viele Grüße