See zum Quadrat … oder die Parallaxe schlägt zurück
Was für ein Titel. Ja, etwas konstruiert und gewollt. Aber er benennt alle Punkte, die ich kurz in diesem Nur-Mal-Zeigen Artikel ansprechen möchte. Los geht’s. Derzeit versuche ich in Vorbereitung auf eine einwöchige Hüttentour im Sommer, zumindest einmal in der Woche eine kleinere Wanderung (andere würden Spaziergang sagen) zu absolvieren. Um das „Training“ langsam zu steigern, habe ich bei meiner letzten Wanderung neben zwei Wasserflaschen noch meine zwei TLRs in den Rucksack gepackt und bin nach Brühl zum Heider Bergsee aufgebrochen. In der Region gibt es einige kleinere Seen zu umrunden, und davon mag ich heute einige Fotos zeigen.
Am frühen Morgen lag noch ein wenig Nebel über dem Wasser. In Kombination mit umgestürzten Bäumen und in Schwarzweiß schafft das immer eine wunderbar gedeckte Stimmung, wie ich finde. Die Yashica Mat 124G war mit einem Kentmere Pan 100 Film bestückt, meine Ricohflex hatte nur eine kurze Statisten Rolle und war hauptsächlich gewollter Balast. Parallel zur TLR habe ich mit der Ricoh GR IIIx fotografiert, als Belichtungsmesser und digitales Backup.






Ob das jetzt ein realistisches Wandertraining ist, wenn dabei mit einer TLR fotografiert wird, sei mal dahingestellt – die Unterbrechungen für die Aufnahmen nehmen schon einige Zeit in Anspruch, bis einmal alles eingestellt und der Bildausschnitt richtig gewählt ist. Ich habe schon einige Monate nicht mehr mit einer Zweiäugigen fotografiert und musste mich erst einmal wieder an das spiegelverkehrte Sucherbild gewöhnen – und konnte mir so einige Pausenzeiten verschaffen.

Die Yashica ist im Handling etwas moderner als meine alte Ricohflex. Sie dürfte auch so ca. 20-30 Jahre jünger sein. Es gibt eine Kurbel zum gleichzeitigen Filmtransport und Verschluss-Spannen. Damit gibt es auch kein Risiko für Mehrfachbelichtungen. Dazu kommt ein integrierter Belichtungsmesser zur manuellen Nachführmessung bei Verstellung von Zeit und Blende, der wirklich gut funktioniert und so die digitale GR IIIx zur Kontrolle eigentlich unnötig macht. Was dagegen meine analoge Ricohflex besser kann: die Scharfstellung erfolgt hier über zwei Hebel links und rechts statt eines Drehrads wie bei der Yashica. Dadurch kann ich die Kamera in der mir gewohnten linken Hand halten, und mit der rechten Hand fokussieren. Bei der Yashica muss ich immer umgreifen, da das Fokusrad links am Gehäuse angebracht ist.
Beide Kameras belichten den 120er Rollfilm im quadratischen 6×6 Format. Die Objektive sind nominell und von der Leistung her sehr ähnlich. Beide Modelle bieten 80mm Standard Brennweiten mit Lichtstärke 3,5 und minimaler Entfernungseinstellung von 1 Meter. Das Sucher Objektiv der Yashica hat Lichtstärke 2,8, wodurch das Sucherbild ein wenig heller erscheint.
Und wie war das jetzt mit der Parallaxe? Bisher hatte ich mir zu dem Thema nie Gedanken gemacht, obwohl mit klar ist, dass ich das Motiv durch eine andere Optik sehe (obere Linse), als es dann am Ende aufgenommen wird (untere Linse). Dadurch ist also das Bild, welches man im Sucher sieht, immer leicht verschoben zur Aufnahme, wobei dieser Umstand mit zunehmender Entfernung des Motivs vernachlässigbar ist. Relevant wird dieses Thema, wie auch bei Sucherkameras, eigentlich nur im Nahbereich. Und die Naheinstellgrenze meiner TLRs beträgt bereits schon einen Meter. Was ich leider nicht beachtet habe: die Parallaxe schlägt natürlich auch zu, wenn Motivanteile noch näher gewollt im unscharfen Vordergrund platziert sind. Von diesem Morgen habe ich zwei schöne Beispiele mitgebracht, inklusivem digitalen Pre-Shots, bei denen ich die Problematik leider nicht vorausgesehen habe.
Beim ersten Foto hatte ich einen dicken Ast als Störer im unteren Bildbereich eingearbeitet. Im Sucher gab es noch viel Blick aufs Wasser, aber das Foto hat leider hauptsächlich dann nur Ast gesehen und den See verdeckt. Im zweiten Beispiel hatte ich mir minutenlang Mühe gegeben, im Sucher das Schild zwischen der Astgabel zentriert zu komponieren. Auch hier hatte ich nicht bedacht, dass eben das Objektiv für die Aufnahme tiefer positioniert ist. Die farbigen Varianten zeigen die digitale Vorarbeit (die dann aber auch nicht ganz dem komponierten Bild entsprechen), die SW Fotos sind dann das analoge Ergebnis aus der Yashica.




In allen Fällen wäre wohl ein Stativ hilfreich gewesen, wenn nach Festlegung des Bildausschnitts die Kamera ein paar Zentimeter über die Stativsäule höher gefahren wird, bis eben zur Höhe der Sucherlinse. Aber wer plant tagsüber schon ein Stativ auf einer Wanderung ein, ich ganz sicher nicht. Eine andere ultimative Lösung ist eine TLR mit automatischen Parallaxen Ausgleich, den bspw. die teureren Rolleiflex Modelle bieten. Wie auch immer, am Ende habe ich wieder was Neues gelernt. Jetzt muss ich nur bald meinen nächsten Film in einer TLR belichten, bevor die neue Erfahrung vergessen ist und die Parallaxe wieder unbemerkt zuschlagen kann.
Zum Abschluss einige digitale Backup Fotos aus der Ricoh GR IIIx, die noch einmal eindringlich dokumentieren, wie clean und detailreich die digitalen Abbilder im Vergleich zu Film sind.









Danke für das insGedächtnisrufen dieser Problematik. Schön zu lesen und gut bebildert. Für meine 2äugige Mamiya gab es einen Paramender, der nach der Motiveinstellung und vor der Aufnahme betätigt werden musste um die Kamera 55mm(?) hoch zu fahren. Stativ ist da natürlich auch Pflicht.