It’s Time For Film
Im Dezember 2022 wurde das PENTAX Film Project der Öffentlichkeit vorgestellt, in der Ricoh ankündigte, wieder analoge Film Kameras unter dem Markennamen PENTAX entwickeln zu wollen. Die letzte analoge SLR Kamera *ist (ohne D) ist bereits 20 Jahre alt. In einer Serie von Videos hat Ricoh nun über die Monate vom aktuellen Stand des Projektes berichtet. Dabei erscheint die größte Herausforderung, dass vergangene Wissen zum Bau mechanischer Filmkameras wieder zu finden und aufzubereiten. Dazu dient natürlich das Studium alter Modelle und Konstruktionszeichnungen, aber insbesondere auch der Erfahrungsaustausch mit pensionierten Ingenieuren, die früher für PENTAX gearbeitet haben. Das ganze Projekt hat in meiner Wahrnehmung eine sehr emotionale, leicht esoterische Note, was ich nicht despektierlich meine. Es passt in meinen Augen zur Nischenstrategie der Marke.
Dieses Jahr soll nun eine erste Einsteiger-Kamera veröffentlicht werden, die als Versuchsballon dient, ob ein ausreichendes Interesse am Markt für neue Analogkameras jenseits von Leica und Instax besteht. Der Erfolg kann dann „seriösere“ Nachfolgeprodukte begünstigen. Einige Informationen zur Neuen waren bereits in den Monaten zuvor bekannt geworden. Die Kamera soll eine Kompaktkamera mit fester Optik und manuellen Filmtransport werden, wahrscheinlich sogar mit einem Schnellspannhebel, der eine schönere haptische Erfahrung verspricht als ein einfaches Daumenrad. Dennoch soll die Kamera einfach bedienbar sein und Anfänger an das Thema analoge Fotografie heranführen. Diese Ankündigungen ließen schon darauf schließen, dass die Kamera zumindest für die Belichtung eine Automatik aufweisen wird. Auch hatte ich gehofft, dass die Entfernung variabel einstellbar sein wird. Eine Kamera mit Fixfokus wirkt dann doch zu simpel und amateurhaft.
Letzte Woche ist nun der dritte Teil zum PENTAX Film Project auf YouTube erschienen. Die große Überraschung: die Neue wird eine Kompaktkamera für das Kleinbild Halbformat, so wie bei der prominenten Ricoh Auto Half aus den 60er Jahren. Dazu soll es einen Zonen-Fokus für die Entfernungseinstellung geben und einen elektronischen Verschluss mit Belichtungsautomatik. Also irgendwie eine auf den ersten Blick wirre Kombination, die aber mit Blick auf das anvisierte junges Zielpublikum vielleicht Sinn machen wird. Halbformat bedeutet 17×24 Hochformat im Standard und die doppelte Anzahl von Fotos pro KB Film. Der Projektleiter von Ricoh argumentiert, dass gerade junge Menschen durch die Verwendung von Smartphones und sozialer Medien wie Instagram eher diese Foto Ausrichtung gewohnt sind. Das klingt für mich zu einfach gedacht. Aber dennoch gilt es anzuerkennen, dass der Heimatmarkt in Japan anders ticken mag als bei uns im Westen. Ich erinnere mich an die PENTAX Q, der weltweit kleinsten DSLM mit wechselbaren Objektiven und Mini-Sensor. Während die meisten Menschen hier nur den Kopf über die Q geschüttelt haben, weil sie nur die Limitierung des kleinen Sensors im Blick hatten, feierte die Kamera in Japan große Erfolge, weil das Erlebnis und die C(Q)uteness der Kamera für viele Käufer im Vordergrund standen.
Persönlich bin ich noch in der Meinungsbildung zur namenlosen neuen Kamera. Aber ich bin wirklich gespannt, wohin die Reise noch gehen mag. Die Entscheidung zum Halbformat finde ich mutig. Die Aussage, dass Menschen mit Smartphones im Hochformat fotografieren, möchte ich nicht als Dogma verstehen. Auch die neue Kamera kann natürlich um 90 Grad gedreht werden für das traditionelle Querformat. Das geht auch prima mit der Ricoh Auto Half, die zusammen mit der PENTAX Espio Mini laut drittem Video die Patenschaft für die Neuentwicklung übernommen hat. Wobei ich noch nicht verstanden habe, welche Gene der Espio tatsächlich eingehen sollen. Ein 32mm Objektiv wäre eventuell für das Halbformat doch zu eng, andererseits passt das dann gut zur Notwendigkeit der Einstellung eines Zonen-Fokus. Und wird dann ein korrekt eingestellter Fokus irgendwie ausgemessen und angezeigt?
Trotz meines Alters bin ich durchaus Kandidat für einen Kauf, auch wenn Ricoh auf ein junges Publikum schielt. Entscheidend wird sein, welcher Preis aufgerufen wird, denn allzu teuer darf die Neue nicht werden. Ich habe meine private Schmerzgrenze für den Preis bereits festgelegt. Im PENTAX Lager scheint es mir so, dass die Kamera eher skeptisch gesehen wird. Wenn sie kein finanzieller Erfolg für Ricoh wird, fällt es mir schwer zu hoffen, dass dem analogen Film Projekt noch weitere Modelle folgen werden. Dann ist die Zeit für Film aus dem schönen Werbeslogan schnell wieder vorbei.
Zum Abschluss habe ich alle Beiträge des Filmprojektes auf YouTube in diesem Artikel verlinkt. Ich finde die Videos ganz charmant und sympathisch in ihrer Nische. Ich bin aber auch schwer befangen, das ist mir klar. Ricoh/Pentax setzt hier ganz viel auf Nostalgie, Gefühl und Erlebnis. Spricht mich voll an.
Update 1
Mittlerweile ist die Kamera unter dem Namen PENTAX 17 erschienen, und ich habe auch einen längeren Artikel dazu geschrieben: PENTAX 17 ++ It’s Time For Film! Jetzt.
Außerdem gibt es eine weiter Story von TKO.