Olympus OM-4 Ti ++ Titan mit Multispot, Hi. Light und Shift
Auch wenn ich mich auf Kameras der Marken PENTAX und Ricoh konzentriere, reizt mich natürlich immer mal wieder der Blick auf das, was andere Hersteller so machen bzw. in der Vergangenheit gemacht haben. Zu Olympus gibt es eine besondere Verbindung. Als ich mich 2011 intensiv mit der Anschaffung einer neuen Kamera beschäftigte, lief mir auch die Olympus E-5 als interessante Alternative über den Weg. Olympus war mir natürlich ein Name, die OM Kameras waren in meiner subjektiven Wahrnehmung in den 70er und 80er Jahren die begehrenswertesten SLR Kameras im Versandhauskatalog.
Die Olympus E-5 wurde es dann doch nicht, ich blieb dem PENTAX System mit einer K-5 treu. Es sollte noch einige Jahre dauern, bis ich dann 2015 mit der OM-D E-M10 wirklich meine erste Kamera von Olympus anschaffen sollte. Diese ersetzte damals meine kleine PENTAX Q als Immer-dabei-Kamera. MFT Systemkameras von Olympus begleiteten mich dann einige Jahre als spiegelloses Zweitsystem, bevor dieses dann zum Ende der 2010er Jahre von Panasonic Lumix ersetzt wurden. In meiner Erinnerung punkteten die Olympus Gehäuse bei mir insbesondere durch ihre Kompaktheit und dem Retro-Stil. Soviel zu meinem persönlichen Bezug zur Marke Olympus bisher.
Wie der Zufall so spielt
Anfang dieses Jahres schlug mir mein YouTube Feed ein Porträt zur Olympus OM-4 Ti von Stefan Schüngel vor. Die OM-4 Ti blieb mir im Gedächtnis wegen der Multispot Belichtungsmessung. Was für ein cooles Feature, was ich noch von keiner anderen Kamera kannte. Eine kurze Recherche bei eBay ließ aber mein Interesse sofort auf Null sinken. Preise zwischen 300 und 600 EUR für das Gehäuse ohne Objektiv waren mir für „mal eben“ definitiv zu hoch.
Die Olympus war schon wieder vergessen, da kam im August ein glücklicher Zufall ins Spiel. Im FTG Freundeskreis wurde von einem User eine ungenutzte Olympus Ausrüstung verschenkt. Im Konvolut: eine OM-2 und OM-4 Ti plus Objektivpark aus sieben Linsen, dazu reichlich Zubehör. Ich durfte das Gesamtpaket mit einer Forenkollegin übernehmen und aufteilen mit dem Versprechen, die Kamera auch aktiv zu nutzen. An mich ging – jetzt keine Überraschung – die Olympus OM-4 Ti sowie drei Objektive, darunter ein 35mm Shift-Objektiv. Meine Zusage, die Kamera auch zu nutzen und nicht direkt zu verkaufen, habe ich schnell einlösen können und wird mit diesem Blog Artikel dokumentiert. Die Olympus begleitete mich bisher bei einer Tagestour in Düsseldorf, sowie in einen Vier-Tage Kurzurlaub nach Antwerpen mit zwei Freunden.
Belichtungsvielfalt
Die OM-4 Ti ist in erster Linie ein Zeitautomat mit elektronisch gesteuertem Verschluss. Sie folgte 1987 der OM-4 von 1984 mit einigen Verbesserungen wie der namensgebenden Deck- und Bodenplatte aus Titan. Ohne Batterie kennt die Kamera nur 1/60s und Bulb als mechanische Notzeiten. Diese beiden Werte sind auf einem Zeitenrad am Bajonett (!) rot beschriftet, alle elektronischen Zeiten dann hellblau bis zur kürzesten Blitzsynchronisationzeit 1/60s, dann die restlichen Zeiten weiß bis zur kürzesten Verschlusszeit von 1/2000s. Die mechanischen roten Zeiten sind übrigens nur bei Betätigung eines sehr kleinen Lock Schalters unten links am Bajonett wählbar. Das ist wichtig zu wissen, denn bei leerer oder nicht eingelegter Batterie bleibt der Spiegel nach dem Auslösen in der obigen Position stehen. Er kann nur durch erneutes Auslösen einer mechanischen Zeit zurückgestellt werden.
Neben der Blendenvorwahl kann die Kamera natürlich auch komplett manuell bedient werden, es gibt aber keinen Programm Modus oder Zeitenpriorität (Blendenautomatik). Die OM misst die Belichtung in „Echtzeit“, also auch während der Aufnahme bei hochgeklappten Hauptspiegel, um ad hoc auf Änderungen der Lichtsituation in der Automatik reagieren zu können. Dies kann bei Langzeitbelichtungen nützlich sein. Das Verfahren wird autodynamischen Messsteuerung (ADM) genannt und über eine Reflexmessung auf den noch nicht ganz geöffneten Verschlussvorhang sowie der Filmschicht selber (off-the-film, OTF) umgesetzt. Der Vorhang ist dafür mit einem speziellen Reflexionsmuster bedruckt. Olympus hatte diese Eigenschaft bereits 1975 bei der OM-2 eingeführt. Allerdings blieb ADM keine Olympus exklusive Funktion, die PENTAX LX bspw. von 1980 implementierte sie ebenfalls.
Killer-Feature Multispot
Die Olympus misst die Belichtung zunächst ganz traditionell mit einer mittenbetonten Integralmessung, wie es damals üblich war. Dazu kommt alternativ eine Spot Messung, die nur ca. 2% des Bildfeldes im Sucher-Zentrum abdeckt. Eine Drucktaste links neben dem Auslöser erlaubt diese gezielte Messung. Das Ausstattungshighlight schlechthin heißt aber Multispot. Dabei ist es möglich, bis zu 8 einzelne Spots im geplanten Motiv anzuvisieren und zu messen, die Kamera berechnet dann den Durchschnittswert. Kleine Rauten symbolisieren auf dem LCD Messwertstrahl jeden gemessenen Spot. Ab der achten Spot Messung verwirft die Kamera den jeweils ältesten Wert.
Die Länge des Strahls, der rechts im Display startet, ist je nach Kameramodus anders zu interpretieren. Im Auto Modus werden alle Zeiten in der untersten Zeile angezeigt, und der Strahl darüber endet auf dem aktuellen Belichtungswert. Über dem Strahl selbst werden dann alle Spot Rauten markiert, die zur Berechnung des Belichtungswerts beigetragen haben. Im Manual Modus zeigt das Display nur die am Bajonett selektierte Zeit an. Der Strahl darüber dient dann als relative Lichtwaage zur Anzeige der Plus-oder-Minus Abweichung vom eingestellten Zeitwert.
Die OM-4 Ti berechnet aus allen Spot Messungen einen Durchschnittswert. Sind alle Spot Messungen abgeschlossen, wählt der Fotograf seinen endgültigen Bildausschnitt und löst aus. Damit die Prozedur nicht für weiter Aufnahmen des gleichen Motivs wiederholt werden muss, gibt es noch einen Messwertspeicher. Ein Drehschalter um den Auslöser kontrolliert diesen. Ein Tipp nach links speichert den aktuellen Messwert (was durch eine blinkende LED neben dem Auslöser quittiert wird), ein Druck nach rechts vergisst den Wert. Für mich ist der Hebel sehr gewöhnungsbedürftig, da ich so ein Bedienelement bisher nur als Lock bzw. Ein-Aus-Schalter bei Kameras anderer Hersteller kennengelernt habe.
Eine expliziten Power Schalter kennt die OM-4 Ti nicht. Das elektronische System beginnt zu Arbeiten, sobald der Auslöser halb angetippt wird oder der Belichtungsmodus gewechselt wird. Dabei verbraucht zumindest der Vorgänger OM-4 im Ruhemodus relativ viel Strom, so dass nach einigen Wochen schon ein Batteriewechsel notwendig ist. Bei der Ti Version (und wohl auch bei später gebauten, normalen OM-4 Kameras) wurde die Elektronik modifiziert, um mit den Batterien sparsamer umzugehen. Ob eine Kamera die neue Elektronik aufweist, kann mit dem OM-4 Circuit Check leicht geprüft werden. Wenn der „Battery Check“ nach 30s sich automatisch beendet, hat man die Energiesparversion.
Licht und Schatten
Über die Multispot Messung erlaubt die OM-4 Ti eine sehr gezielte Steuerung der Belichtung, frei interpretiert nach dem Ansel Adam Zonensystem. Dies ist aber immer noch kein Allheilmittel für eine ausgewogene Belichtung. Am Ende steht immer noch genau ein berechneter Zeitwert, der für die Belichtung des gesamten Bildes auf dem Negativ herhalten muss. Der Fotograf muss also immer noch den gesamten Dynamikumfang im Blick haben, der bspw. bei gleißendem Mittagslicht viel zu groß (und daher die Spot Messungen sich auf die bildrelevanten Ausschnitte beschränken sollten), oder die Lichtverteilung bei Nachtaufnahmen oder am Strand oder im Schnee viel zu uneinheitlich verteilt sein kann. Für den letzteren Fall bietet die Olympus Kamera noch die beiden Tasten Hi.Light und Shadow unterhalb der Spot Taste. Wenn bspw. Gegenlicht oder hartes Mittagslicht dominieren, hilft die Hi.Light Taste, um dann mit einer längeren Belichtungszeit gegenzusteuern.
mechanisch (rot) oder elektronisch (blau und weiß)
angesteuert wird
Hi.Light, Shadow und Spot-Taste links neben dem Auslöser.
Um den Auslöser steuert der Ringschalter den Messwertspeicher.
Was bedeutet dies nun konkret für meine Praxis mit der Olympus? Ich habe zumeist auf die Multispot Messung gesetzt, wenn ich Zeit für ein Motiv hatte und nicht spontan auslösen musste. Dabei habe ich ein oder zwei Spots auf mein Hauptmotiv bzw. dessen Umgebung gemessen, sowie immer noch einen Spot auf mittlere Schatten, die ich nicht in Schwarz absaufen lassen wollte. Das hat auch wirklich ganz ausgezeichnet geklappt, Fehlbelichtungen sind mir eigentlich nach vier Filmen nicht untergekommen. Die beiden Sondertasten für Hi.Light und Shadow habe ich nie einsetzen müssen.
Ein nerviges Detail bei der Belichtungsmessung ist übrigens der Piepton, der vor einer Fehlbelichtung warnen soll, wenn die kürzeste Verschlusszeit von 1/2000s nicht kurz genug ist. Dies wird im Sucher LCD auch als „Over“ für Überbelichtung angezeigt. Das passiert gerne unerwartet, wenn z.B. noch gar nicht das Motiv anvisiert wurde, sondern die Kamera direkt ins helle Licht zeigt und die Belichtungsmessung bereits aktiviert ist. Allerdings kann die Olympus komplett stumm geschaltet werden, wenn der Hebel zur Steuerung der Selbstauslösung nach innen zum Objektiv hin gedreht wird. Bei Unterbelichtung („Under“ im LCD) bleibt die Kamera immer ruhig.
Noch ein paar Worte zum Sucher, der für mich immer mit der Arbeit einer Kamera ein entscheidender Faktor ist. Dieser deckt mit 97% fast das gesamte Negativ ab, die Vergrößerung hat den Faktor 0,84. Dazu im Vergleich deckt die PENTAX MX nur 95% des Bildfeldes ab. Der Vergrößerungsfaktor beträgt bei der MX aber beeindruckende 0,97 und bietet mir bis heute da beste und hellste Sucherbild von allen meinen Kleinbild Kameras. Die Olympus hat seitlich am Prisma Gehäuse einen Drehring zur Dioptrien-Korrektur. Ich fotografiere allerdings immer mit Brille. Egal ob mit oder ohne Brille ist das Sucherbild der Olympus schön groß. Zwei horizontale und vertikale Linien am Rand helfen bei der Ausrichtung. Allerdings ist (zumindest mit mit Brille) die LCD Anzeige am unteren Rand manchmal abgeschattet.
Die Lesbarkeit der Anzeige ist auch stark abhängig vom Umgebungslicht. Dieses wird durch ein kleines Fenster vorne am Sucherbuckel eingefangen und auf das LCD umgeleitet wird. Reicht es nicht aus, kann über einen Taster oben recht am Bajonett eine Lampe zugeschaltet werden. Dieses Prinzip kenne ich auch von der PENTAX Super-A von 1983, die zeitgleich mit der ursprünglichen OM-4 erschien, aber bereits mit einer zusätzlichen Programm- und Blendenautomatik auftrumpfen konnte, allerdings ohne Spot Messung.
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Shift 35mm f/2.8 und 135mm f/3.5
10,4mm nach Links und rechts, 12mm nach oben, 13mm nach unten
Insgesamt bin ich vom Bedienungskonzept der OM-4 Ti und ihrer Kompaktheit gemischt angetan. Besonders die einfach zu bedienende und verständliche (Multi-) Spotmessung ist für mich das Killer-Argument pro Kamera. Gewöhnungsbedürftig bleibt aber die Einstellung der Zeit über einen (mir zu) schmalen Drehring direkt am Kamerabajonett. Auch der Blendenring am Objektiv fühlt sich für einen PENTAX Fotografen fehl am Platz, denn er befindet sich stets hinter dem Fokusring ganz vorne am Objektiv. Die Objektiventriegelung und Abblendtaste sind im Objektiv integriert, und nicht im Kameragehäuse. Meine letzte Mäkelei gibt es für den fehlenden Ein-Aus-Schalter. Aber all diese Punkte sind nur eine Frage der Gewöhnung, mit Ausnahme vielleicht des unkomfortablen Zeitenrads.
Shift Me, Baby!
Neben der OM-4 Ti durfte ich mir aus dem Olympus Konvolut ein Shift Objektiv mit 35mm Weitwinkel herausfischen. Das fand ich besonders spannend, weil ich noch nie mit einem echten Shift Objektiv fotografiert habe. Ich kannte bisher nur das digitale Shiften in Lightroom („Upright“) bzw. in sehr engen Parametern über den Sensor-Shift einer PENTAX DSLR. Von PENTAX selbst gibt es meines Wissens nur eine alte SMC SHIFT 28mm f/3.5 Linse für das K-Bajonett, welches gerne heute noch 500 EUR und mehr kostet. Mit dem Olympus 35mm Shift hatte ich nun die Gelegenheit, stürzenden Linien direkt bei der Aufnahme zu vermeiden. Und ich muss zugeben, das macht viel mehr Spaß als das Klicken in einer Software. Das Shiften geht über zwei Achsen, d.h. das Motiv kann nach oben, unten, rechts oder links verschoben werden, ohne die Kamera aus dem Horizont zu stürzen.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist der Umstand, dass bei dem Shift Objektiv die Blende manuell über die Abblendtaste geschlossen werden muss, und dies nicht automatisch beim Auslösen passiert. Insofern ist der Aufnahmeprozess etwas aufwendiger: Blende öffnen und fokussieren. Shift-Einstellung vornehmen. Zuletzt Blende schließen, Belichtung messen und auslösen.
Besonders bei einem Tagesausflug nach Düsseldorf hatte ich gefühlt nur das Shift Objektiv in Nutzung, um kippenden Häuserzeilen den Kampf anzusagen. Ab und an wirkt der Effekt auch übertrieben bzw. unnatürlich, aber cool ist er dennoch! Hier mal eine Auswahl. In der Kamera war ein Kentmere 100 Film eingelegt, den ich auf ISO 200 belichtet und dann später in D-76 entwickelt habe.
Trip nach Antwerpen
So richtig durfte die OM-4 Ti ihre Praxistauglichkeit auf einer kleinen Reise in die zweitgrößte Stadt Belgiens beweisen. Mit meinen zwei besten Freunden ging es Anfang Oktober für ein verlängertes Wochenende nach Antwerpen. Die kurze Auszeit ohne Familie gönnen wir uns einmal im Jahr mit wechselnden Zielen. Unsere kleine Wohnung lag im hippen Stadtteil „Het Zuid“, nur ein paar Schritte entfernt vom Waterpoort, dem Wahrzeichen der Südstadt. In der Gegend gibt es zahlreichen Restaurants, Cafés und Lokale. Anders als noch in Düsseldorf durften diesmal auch die anderen beiden Zuikos ran, insbesondere die 50mm Normalbrennweite. In den vier Tagen habe ich zwei Kentmere 400 Filme auf Nennempfindlichkeit belichtet.
Nördlich von der Südstadt liegt das Zentrum (wo auch sonst) mit Hafengebiet und Altstadt. Ein Highlight ist der kubische Bau des Museum aan de Strom (MAS). Ein Tipp: die Besucherplattform kann umsonst betreten werden und bietet eine wunderbare Aussicht auf Antwerpen in alle Himmelsrichtungen. Aber auch der Eintritt für die Ausstellungen lohnt sich. Richtig herzergreifend empfand ich die Skulptur von Nello & Patrasche, die sich mit einer Asphaltdecke in der Altstadt betten. Die beiden sehen richtig süß aus, aber die (fiktive) Geschichte ist eher traurig. Die Erzählung Nello & Patrasche beschreibt die unzertrennliche Freundschaft zwischen dem Waisenjungen Nello und seinem Hund Patrasche, die in Armut in Flandern leben und für Nellos Traum kämpfen, ein Künstler zu werden, und dann tragisch am Weihnachtstag gemeinsam in der Kathedrale sterben.
Ansonsten gibt es wirklich viel in der Stadt zu entdecken: das Hafenamt, die Kathedrale, den Bahnhof, tolle Museen wie das oben erwähnte MAS und die KMSK, den Beginenhof und sicher noch viel mehr.
Die Olympus hat alles prima mitgemacht. Dabei spricht neben der Multispot Messung vor allem auch die Kompaktheit für die Kamera. Die Bildergebnisse überzeugen ohnehin. Ob die OM-4 Ti ihren ambitionierten Gebrauchtpreis wert ist, muss natürlich jeder selbst entscheiden. Als Einsteigerkamera würde ich sie nicht unbedingt empfehlen, dafür ist sie doch preislich zu abgehoben und in der Bedienung anspruchsvoll. Die oben erwähnte Super-A kostet im Vergleich weit weniger als die Hälfte der Olympus. Aber der Nimbus des Olympus Titans sticht wohl die PENTAX Arbeitsmaschine aus.
Mega! Etwas besseres, als bei Dir zu landen, konnte der OM-4 Ti gar nicht passieren. Tolle Bilder, cooler Artikel. Ich habe mich nochmals an die Zeiten erinnert, als ich meine erste OM-4 Ti (also nicht diese) besaß und damit auch fotografiert habe. Da wird man ja richtig nostalgisch…
VG Peter